
Wie schauen Konstanzer und Kiewer Studierende auf den Krieg?
Eine Umfrage an der Universit?t Konstanz und der Taras-Schewtschenko-Universit?t in Kiew gibt Aufschluss über die studentische Einsch?tzung zum Krieg in der Ukraine: ein Vergleich zu Angst und der Einstellung zu Autorit?t, milit?rische Unterstützung und eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine.
Menschen neigen gerade in Krisenzeiten dazu, Schutz in Autorit?t zu suchen, selbst wenn dies auf Kosten pers?nlicher Rechte und Freiheiten geht. Auf Basis dieser These des kanadischen Psychologen Bob Altemeyer führten der Survey-Forscher Thomas Hinz von der Universit?t Konstanz, die Doktorandin Valeriia Sazonova sowie ihr Betreuer Taras Tsymbal, beide von der Taras-Schewtschenko-Universit?t in Kiew, an ihren Universit?ten eine 明升体育_足球竞彩网-官网- Befragung unter Studierenden durch. Gefragt wurde, wie die deutschen und ukrainischen Studierenden jeweils das Ausma? der Gefahr durch den Krieg in der Ukraine wahrnehmen und wie sich dies auf ihre Einstellungen gegenüber Autoritarismus auswirkt. Au?erdem wurden die insgesamt rund zweitausend Studierenden um eine Einsch?tzung des Kriegs und um ihre Meinung zur ukrainischen Gesellschaft gebeten.
Die Erwartung, dass ukrainische Studierende aufgrund der Gefahrensituation des unmittelbar erlebten Krieges mehr dem Autoritarismus zuneigen als ihre Konstanzer KommilitonInnen, best?tigte sich. Diese Haltung, in einer Situation der Gefahr Schutz bei einer Autorit?t zu suchen, fiel in beiden Studierendengruppen jedoch unterdurchschnittlich stark aus. ?Studierende sind also weniger dem Autoritarismus zugetan als der Bev?lkerungsdurchschnitt“, hei?t es in der Studie.
Ukrainische Studierende haben mehr Angst
Die Studierenden wurden auch nach ihrer Angst vor einem neuen Weltkrieg, vor milit?rischen Aktivit?ten in anderen europ?ischen L?ndern, ihrem eigenen Tod, dem Tod von Familienmitgliedern oder Freunden, vor Nahrungsmittelknappheit / Verhungern, anhaltend hoher Inflation und vor einer Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation gefragt. Die ukrainischen Befragten weisen insgesamt ein h?heres Niveau an Angst auf als die deutschen. Lediglich bei der Angst vor Inflation und einem ?bergreifen des Krieges auf andere europ?ische L?nder zeigten die Konstanzer Studierenden h?here Werte.
Ein zus?tzlicher Frageblock zur Situation in der Ukraine untersuchte die Meinung der Studierenden an beiden Universit?ten zur ukrainischen Gesellschaft und zu den Ursachen des Krieges. Beide Seiten halten Russland für den Hauptschuldigen, 99 Prozent in Kiew und 96 Prozent in Konstanz. H?ufiger als die Konstanzer gaben die Befragten in Kiew an, dass sie die USA, andere europ?ische L?nder und sogar die Ukraine selbst für mitschuldig am Krieg halten. Die humanit?re Unterstützung der Ukraine durch Deutschland finden 33 Prozent der ukrainischen Studierenden ausreichend, 37 Prozent dagegen unzureichend. Als unzureichend sch?tzen sie auch etwa ein Drittel der deutschen KommilitonInnen ein.
Milit?rische Unterstützung aus Deutschland am unzureichendsten
Was die internationale milit?rische Unterstützung der Ukraine betrifft, erhalten von den Befragten in Kiew lediglich die USA ein positives Zeugnis. Die milit?rische Unterstützung aus Deutschland wurde sowohl von den Konstanzer als auch von den Kiewer Studierenden als die unzureichendste unter allen in den Fragebogen einbezogenen L?ndern bewertet.
Auf ihre Meinung zur ukrainischen Gesellschaft befragt sahen sich lediglich rund die H?lfte der Studienteilnehmenden an der Universit?t Konstanz in der Lage zu antworten. Im Vergleich zu deren Einsch?tzungen stehen die ukrainischen Studierenden ihrer eigenen Gesellschaft tats?chlich kritischer gegenüber. Zum Beispiel stimmen sie h?ufiger zu, dass Korruption in der Ukraine weit verbreitet sei und ihr Land immer noch von einigen wenigen Oligarchen beherrscht werde.
Mehrheit auf beiden Seiten für Nato-Mitgliedschaft der Ukraine
Die Befragten beider Universit?ten sehen jeweils v?llig unterschiedliche L?sungsans?tze zur Bew?ltigung der aktuellen Situation. Die gro?e Mehrheit der ukrainischen Studierenden unterstützt das Ziel, den Kampf bis zur vollst?ndigen Befreiung der von Russland besetzten Gebiete fortzusetzen, w?hrend dies unter den Konstanzer Studierenden weniger als ein Drittel befürworten. Mehr als 50 Prozent von ihnen würden einen sofortigen Waffenstillstand begrü?en. Allerdings ist die Mehrheit auf Konstanzer Seite auch für eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und – ebenso wie ihre KommilitonInnen in Kiew – die Wiederherstellung der ukrainischen Grenzen von 2013.
Die Studie wurde zwischen dem 21. Juni und dem 18. Juli 2022 durchgeführt, nachdem die Ukraine die russische Frühjahrsoffensive auf Kiew erfolgreich zurückgedr?ngt hatte, aber noch vor der ukrainischen Gegenoffensive im September und Oktober.
Faktenübersicht:
- Ukrainisch-deutsche Umfragestudie zu studentischen Einsch?tzungen des Kriegs in der Ukraine im Sommer 2022: uni.kn/umfragestudie
- Durchgeführt von Prof. Dr. Thomas Hinz, Leiter der Arbeitsgruppe für Empirische Sozialforschung mit Schwerpunkt Surveyforschung an der Universit?t Konstanz, und von der Doktorandin Valeriia Sazonova sowie ihrem Betreuer Prof. Dr. Taras Tsymbal, beide von der Taras-Schewtschenko-Universit?t in Kiew.
- Mit Unterstützung der Stabsstelle Qualit?tsmanagement der Universit?t Konstanz und der Fakult?t für Soziologie der Taras-Schewtschenko-Universit?t.
- Valeriia Sazonova h?lt sich aufgrund des Krieges derzeit an der Universit?t Konstanz auf.
- Befragt wurden 1.194 Studierende der Taras-Schewtschenko-Universit?t in Kiew und 956 Studierende der Universit?t Konstanz.