Wissenschaft von morgen

Das Zukunftskolleg der Universit?t Konstanz gibt es seit zehn Jahren. ?Im Gespr?ch“ erkl?rt sein Direktor Prof. Dr. Giovanni Galizia unter anderem, warum gemeinsames Kochen f?rderlich für die Wissenschaft sein kann.

... ist seit 2005 Professor für Neurobiologie und Zoologie im Fachbereich Biologie an der Universit?t Konstanz und seit 2009 Direktor des Zukunftskollegs. Von 2002 bis 2005 war er zudem Gründungsmitglied der Jungen Akademie, die durch die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und die Akademie Leopoldina in Halle ins Leben gerufen wurde.


Herr Galizia, Sie leiten seit acht Jahren das Zukunftskolleg. Ist Ihre Aufgabe noch immer eine Herausforderung für Sie? Und falls ja, inwiefern?

Ja, auf jeden Fall. Das Zukunftskolleg ?ndert sich st?ndig: Es kommen immer neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – unsere Fellows – mit spannenden Projekten hinzu. Jeder bringt durch seine Pers?nlichkeit und seine Erfahrungen neue Impulse ins Zukunftskolleg, wovon die ganze Gemeinschaft profitiert. Und durch den Austausch der Fellows aus unterschiedlichen Fachbereichen an der Universit?t entstehen v?llig neue Ideen.
Nicht umsonst hat das Zukunftskolleg seinen Namen: Wir schauen nach vorn, fragen uns, was die Wissenschaft von morgen braucht, und versuchen das umzusetzen. Eine permanente Herausforderung also.

Forschen ist klasse.
Prof. Dr. Giovanni Galizia

Was sagen Sie, wenn Sie einem Laien mit wenigen Worten das Zukunftskolleg erkl?ren sollen?

Wir k?nnen in unserer modernen Welt nur überleben, wenn wir sie verstehen und verantwortungsvoll gestalten – und dazu ist Forschung notwendig, vor allem auch die Forschung der jungen Leute. Forschen ist klasse, und die Universit?t Konstanz ist eine besonders starke Forschungsuniversit?t. Im Zukunftskolleg bieten wir die besten Bedingungen, um schon vor der Professur selbstst?ndig und international vernetzt zu forschen, denn die meisten Menschen haben in jungen Jahren die besten Ideen!

Das Zukunftskolleg hat eine Modellfunktion und muss sich st?ndig weiterentwickeln. Wie wirkt sich das auf die gesamte Universit?t und auf die verschiedenen Fachbereiche aus?

Viele Initiativen wie bestimmte Angebote aus dem Academic Staff Development wurden im Zukunftskolleg erprobt und mittlerweile auf die gesamte Universit?t übertragen. Im Zukunftskolleg laden wir Senior Fellows aus der ganzen Welt ein, die auch für die Fachbereiche neue Netzwerke erschaffen. Neue Lehrformate unserer Fellows und der interdisziplin?re Ansatz finden in den Fachbereichen gro?en Anklang. Um es bildlich mit den Worten von Dirk Leuffen wiederzugeben, unserem Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs und Mitglied im Vorstand des Zukunftskollegs, ist das Zukunftskolleg wie ein Mikrokosmos innerhalb der Universit?t, der viele positive Signale und Entwicklungen auf das ganze Universum ausstrahlt.

Sie legen Wert auf exzellente Forschungsbedingungen. Wie sehen diese aus?

Unser Konzept zur F?rderung exzellenter Forschung orientiert sich an der 5i-Strategie des Zukunftskollegs: interdisciplinary, intra-university, international, inter-generational und independent. Unser Ziel ist, junge wissenschaftliche Talente aller Fachbereiche an der Universit?t Konstanz auf ihrem Karriereweg zu unterstützen, eine kreative, internationale und generationenübergreifende Gemeinschaft zu schaffen und die frühe Unabh?ngigkeit der Fellows zu garantieren.

Herzstück des Zukunftskollegs ist der w?chentliche Jour fixe im eigenen Campus-Geb?ude, der ganz im Zeichen der Interdisziplinarit?t steht
Prof. Dr. Giovanni Galizia

Sie betonen die Wichtigkeit eigener R?umlichkeiten für das Forschungskolleg. K?nnte der Austausch auch virtuell geschehen?

Herzstück des Zukunftskollegs ist der w?chentliche Jour fixe im eigenen Campus-Geb?ude, der ganz im Zeichen der Interdisziplinarit?t steht. Dabei kommen alle Fellows zusammen und tauschen sich aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu einem bestimmten Thema aus. Aber auch andere regelm??ige Veranstaltungen wie Book Clubs, Filmdiskussionen oder Social Fridays würden im virtuellen Raum wahrscheinlich nicht auf so fruchtbaren Boden fallen. Es sind auch oft die spontanen Gespr?che auf dem Flur oder beim Kaffee, die ertragreich sind und zu neuen Forschungsinitiativen führen. Vor kurzem hat der wissenschaftliche Beirat des Zukunftskollegs getagt und uns eine wichtige Aufgabe mitgegeben: Um eine Gemeinschaft zu bilden, brauchen wir nicht nur gemeinsame R?umlichkeiten, sondern eine gemeinsame Küche – denn wenn man beim Kochen und Essen miteinander ins Gespr?ch kommt, dann k?nnen auch die unerwarteten, die wirklich neuen, die besonders aufregenden Gedanken für die Wissenschaft von morgen entstehen. Neues entsteht oft, wenn man aus der Alltagsroutine ausbricht.

K?nnen Sie zwei Beispiele für die Laufbahn von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geben, die am Zukunftskolleg waren?

Der Politikwissenschaftler Thomas Br?uninger war von 2001 bis 2008 Fellow am Zentrum für den wissenschaftlichen Nachwuchs (siehe Infokasten) beziehungsweise Zukunftskolleg und von 2004 bis 2008 dessen Direktor. Seit 2009 ist er Professor für Politische ?konomie an der Universit?t Mannheim und baute mit seinen Erfahrungen aus dem Zukunftskolleg dort die Graduiertenschule für Wirtschaft und Sozialwissenschaften als akademischer Direktor auf.
Die Sprachwissenschaftlerin Eleanor Coghill kam 2010 aus Cambridge zu uns und war bis 2015 Fellow am Zukunftskolleg. Danach arbeitete sie als Postdoktorandin an der Universit?t Zürich mit dem Forschungsschwerpunkt ?Sprache und Raum“. Seit 2016 ist sie Professorin für Semitische Sprachen an der Uppsala-Universit?t in Schweden. Ihr ehemaliger Doktorand macht jetzt – als Sprachwissenschaftler – Karriere bei Google.

Auch Künstler sind am Zukunftskolleg t?tig. Wie werden diese ausgew?hlt und inwiefern profitieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon?

Das Zukunftskolleg f?rdert die Gemeinschaft unterschiedlicher Disziplinen und Generationen. Ebenso wie die Fellows etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt als Senior Fellows nominieren und zu einem Forschungsaufenthalt ans Zukunftskolleg einladen k?nnen, dürfen auch Künstler als Artists oder Writers in Residence ans Zukunftskolleg kommen. So haben beispielsweise die Künstler Alexander Schellow aus Berlin (2010-2012) und Patrick Tresset aus London (2013) sowie die Autoren Frank Moorhouse aus Sydney (2009) und Heike Schmoll aus Frankfurt (2009) die Kreativit?t der Fellows durch gemeinsame Projekte an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst angeregt.
Die Künstlerin Julie Pelletier aus Marseille realisierte zusammen mit ihrem Partner, dem Philosophen Julien Bernard, der zwischen 2013 und 2015 Fellow am Zukunftskolleg war, eine Ausstellung im BildungsTURM in Konstanz zum Thema ?Gedankengeflechte“.
Im Rahmen des Aufenthalts der Künstler in Konstanz entstanden Werke, die den Common Room beziehungsweise die Kaffeeküche des Zukunftskollegs schmücken, sodass man in jedem Fall von einer kreativen Kaffeepause sprechen kann.

Um eine Gemeinschaft zu bilden, brauchen wir eine gemeinsame Küche.
Prof. Dr. Giovanni Galizia

Erlauben Ihnen die finanziellen Rahmenbedingungen genügend Spielraum für eine erfolgreiche Nachwuchsf?rderung?

Geld hat man bekanntlich nie genug, aber man lernt, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln sinnvoll umzugehen. Dank der Exzellenzinitiative des Bundes und der L?nder und des ?Zukunftskolleg Incoming Fellowship Programmes Marie Curie“ der Europ?ischen Union k?nnen wir zufrieden sein. Und ab 2018 wird auch die Hector-Stiftung II ein Fellowship finanzieren. Ab 2019 werden wir sehen, wie es mit der Exzellenzstrategie weitergeht.

Was ist Ihr Wunsch für die n?chsten zehn Jahre Zukunftskolleg?

Dass das Zukunftskolleg auch in den n?chsten zehn Jahren dazu beitragen kann, die F?rderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der Universit?t Konstanz voranzutreiben, damit mindestens weitere 99 junge Menschen strukturelle, finanzielle und pers?nliche Unterstützung erhalten, um einen Schritt weiter nach oben auf der Karriereleiter zu steigen. Vor allem auch: Viele, ganz neue und aufregende wissenschaftliche Erkenntnisse!

Faktenübersicht

Wie viele Fellows gab es bisher am Zukunftskolleg?

99 Fellows waren seit 2007 am Zukunftskolleg t?tig; viele davon sind inzwischen auf eine Professur berufen worden.

Wie werden die Fellows rekrutiert?

Das Zukunftskolleg w?hlt die Fellows in einem kompetitiven, mehrstufigen Verfahren aus. Auf eine Ausschreibung folgt zun?chst eine strikte Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten nach formalen Kriterien (zum Beispiel vollst?ndiger Antrag, Jahr der Promotion, disziplin?re Passung zur Universit?t). Eine Auswahlkommission (bestehend aus den Dekanen aller drei Sektionen an der Universit?t Konstanz, einem Senior Fellow, einem Alumnus/einer Alumna und einem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Zukunftskollegs) sichtet alle Bewerberinnen und Bewerber und holt externe Gutachten ein. Auf Basis dieser Gutachten w?hlt die Kommission die Kandidatinnen und Kandidaten für die 2-Jahres- und 5-Jahres-Fellowships aus.
Die Bewerberinnen und Bewerber für eine 5-Jahres-Stelle werden zus?tzlich nach Konstanz eingeladen. In einem zweit?gigen Symposium entscheidet sich die Kommission schlie?lich für die neuen 5-Jahres-Fellows.

An wen richten sich die 2-Jahres-, an wen die 5-Jahres-Fellowships?

Die 2-Jahres Postdoctoral-Fellowships richten sich an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die am Anfang ihrer Postdoc-Phase stehen. Die 5-Jahres-Research-Fellowships sind für erfahrenere Postdoktorandinnen und -doktoranden, die bereits Drittmittel eingeworben haben und sich auf eine Professur hinbewegen.

Woher kommen die Fellows? Wie hoch ist der Frauenanteil?

Von den 99 Fellows waren 58 Prozent international und 38 Prozent davon waren Frauen.

Infokasten

Das Zukunftskolleg ging aus dem Zentrum für den wissenschaftlichen Nachwuchs (ZWN) hervor, das bereits seit 2001 an der Universit?t Konstanz bestand. Dank des Erfolgs der Universit?t Konstanz mit ihrem Zukunftskonzept in der dritten F?rderlinie der Exzellenzinitiative konnte das ZWN im Jahr 2007 auf ein sicheres finanzielles Fundament gestellt werden, was der Ausgangspunkt zur Schaffung des Zukunftskollegs war.