Ein kolloidales Teilchen mit einem Durchmesser von einem Mikrometer wird mit einer Laserpinzette durch ein Nicht-Gleichgewichtsbad bewegt. Je nachdem, wie das Teilchen durch das Bad bewegt wird, ist der Energieaufwand unterschiedlich hoch. Bechinger und sein Team konnten zeigen, dass – unabh?ngig von der Art des Bades – die optimale Teilchenbewegung immer zeitumkehr-symmetrisch ist. Diese erstaunliche Erkenntnis l?sst sich unmittelbar auf die Optimierung einer Vielzahl anderer Prozesse anwenden. Bild: ? Samuel Monter/AG Bechinger

Die Umgebung im Blick behalten

Clemens Bechinger vom Fachbereich Physik der Universit?t Konstanz erh?lt einen ERC Advanced Grant in H?he von 2,5 Millionen Euro – bereits das zweite Mal, dass der Konstanzer Physiker den renommierten Forschungspreis bekommt.

Die Eigenschaften winziger Objekte, etwa einer Mikromaschine, eines Bakteriums und selbst eines Atoms, werden ma?geblich von deren Umgebung beeinflusst. Die Umgebung selbst wird dagegen h?ufig als unabh?ngig vom Objekt betrachtet. Bewegt sich das Objekt, werden die Eigenschaften der Umgebung allerdings ver?ndert und es kommt zu komplexen Rückkopplungseffekten, die auch für Anwendungen interessant sind.

Stellen wir uns beispielsweise einen winzigen Motor vor, der in einer flüssigen Umgebung arbeitet. Durch die Motorbewegung werden die Moleküle der Flüssigkeit durcheinwandergewirbelt und dadurch Energie auf diese übertragen. Dreht der Motor nur langsam, klingen diese Anregungen so schnell ab, dass die Umgebung in ihren Eigenschaften nahezu unver?ndert und damit im Gleichgewicht bleibt. Mit steigender Drehzahl werden die Anregungen allerdings st?rker und führen zu einer langlebigen Ver?nderung der Flüssigkeit. WissenschaftlerInnen sprechen dann von einem ?Nicht-Gleichgewichtsbad“. Da die Bewegung des Mikromotors stark von seiner Umgebung abh?ngig ist, hat dieser Effekt erhebliche Auswirkungen auf die Effizienz des Motors.

Nicht-Gleichgewichtsb?der sind dabei keinesfalls auf Flüssigkeiten beschr?nkt, sondern spielen u.a. auch in quanten-mechanischen Umgebungen eine Rolle. Werden zwei Metalloberfl?chen im Abstand von einem Mikrometer – dem millionstel Teil eines Meters – im Vakuum schnell gegeneinander bewegt, werden dadurch die sogenannten Vakuumfluktuationen ver?ndert. Dieser Effekt führt letztendlich zu einer Reibung zwischen den Oberfl?chen, obwohl sich diese v?llig berührungslos und im luftleeren Raum bewegen.

Brownsche Teilchen im Nicht-Gleichgewichtsbad
In seinem Projekt ?Brownian particles in nonequilibrium baths“ (BRONEB) geht es Clemens Bechinger und seinem internationalen Team darum, den Einfluss viskoelastischer und kritischer Nicht-Gleichgewichtsb?der auf mikrometergro?e Teilchen zu untersuchen. Das Projekt dient nicht nur der Grundlagenforschung, sondern ist auch für technische Anwendungen relevant – beispielsweise der Optimierung energieeffizienter Transport-Prozesse, dem schnellen L?schen digitaler Informationen oder der Erforschung neuartiger Antriebsmechanismen von Mikromaschinen.

?Wir erwarten, dass viele der von uns beobachteten Effekte universell sind und sich auch auf andere Nicht-Gleichgewichtsb?der übertragen lassen“, so Bechinger. Er ist Professor am Fachbereich Physik und Mitglied des Sonderforschungsbereichs ?Fluctuations and Nonlinearities in Classical and Quantum Matter beyond Equilibrium“ (SFB 1432) sowie des Exzellenzclusters ?Kollektives Verhalten“ der Universit?t Konstanz. Zur Umsetzung des BRONEB-Projekts erhielt Bechinger einen Advanced Grant des Europ?ischen Forschungsrats (ERC) in H?he von 2,5 Millionen Euro – bereits der zweite ERC Advanced Grant für den Konstanzer Physiker.

?ber den ERC Advanced Grant
Der ERC Advanced Grant z?hlt zu den renommiertesten und h?chstdotierten europ?ischen Forschungspreisen. Er würdigt und unterstützt herausragende und ambitionierte Forschungsprojekte von etablierten WissenschaftlerInnen, die über mindestens zehn Jahre hinweg bedeutende Forschungsleistungen erbracht haben. Die F?rderdauer der ERC Advanced Grants betr?gt fünf Jahre, die maximale F?rdersumme pro Forschungsvorhaben sind 2,5 Millionen Euro.

Faktenübersicht:

  • Clemens Bechinger erh?lt ERC Advanced Grant in H?he von 2,5 Millionen Euro für das Projekt ?Brownian particles in nonequilibrium baths“ (BRONEB)
  • Forschungsziel: Gewinn neuer Erkenntnisse für Systeme, die an ein Nicht-Gleichgewichtsbad gekoppelt sind
  • Clemens Bechinger ist Professor am Fachbereich Physik der Universit?t Konstanz und Mitglied des Konstanzer Exzellenzclusters ?Kollektives Verhalten“ sowie des Sonderforschungsbereichs ?Fluctuations and Nonlinearities in Classical and Quantum Matter beyond Equilibrium“ (SFB 1432)
  • Clemens Bechinger erhielt bereits 2016 einen ERC Advanced Grant für das Projekt ?Active Suspensions with Controlled Interaction Rules“ (ASCIR)