Zwei H?nde halten einen positiven Schwangerschaftstest auf dem "pregnant" zu deutsch "schwanger" steht.
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Schwangerschaftsabbruch: Empfehlungen für eine Gesetzesnovellierung

Für eine Gesetzesnovellierung des Schwangerschaftsabbruchs: Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin legt am 15. April 2024 ihre Empfehlungen vor. Kommissionsmitglied Liane W?rner (Universit?t Konstanz) ist wissenschaftliche Koordinatorin der Arbeitsgruppe 1 (Themenbereich Schwangerschaftsabbruch) der Kommission und kommentiert die Ergebnisse.

Bisher ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland grunds?tzlich rechtswidrig, auch wenn er unter definierten Bedingungen straffrei bleibt. Die rechtliche Regelung nach Paragraph 218a des Strafgesetzbuches wird kontrovers diskutiert. Um M?glichkeiten einer Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs au?erhalb des Strafgesetzbuches zu prüfen, hat die Bundesregierung im M?rz 2023 die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin einberufen. Sie bestand aus zwei Arbeitsgruppen, die zu den Themenbereichen der M?glichkeiten der Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch au?erhalb des Strafgesetzbuches (AG 1) und den M?glichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der Leihmutterschaft (AG 2) arbeiteten. Nach einj?hriger Arbeit legt die Kommission nun ihre Ergebnisse vor: Sie zeigt darin gesetzgeberische Gestaltungsspielr?ume auf und gibt Empfehlungen. Die Kommission war interdisziplin?r zusammengesetzt und vereinte in der AG 1 zum Schwangerschaftsabbruch Expertise aus Rechtswissenschaften, Sozialwissenschaften, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Medizin.

?Die einstimmig getroffenen Empfehlungen spiegeln das gemeinsame Ergebnis unserer Arbeit wider, das auf ernsthafter, sachlicher Diskussion basiert und das die Komplexit?t dieses gesellschaftspolitisch bedeutenden Themas berücksichtigt“, sagt Prof. Dr. Liane W?rner, LL.M. (UW-Madison), Rechtswissenschaftlerin an der Universit?t Konstanz und wissenschaftliche Koordinatorin der AG 1 (Themenbereich Schwangerschaftsabbruch) der Kommission. ?Wir haben den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umfassend geprüft und zeigen einen Weg auf, der alle berührten Rechte und Interessen berücksichtigt und für Transparenz und Rechtssicherheit sorgt. Die Entscheidung liegt nun beim Gesetzgeber. Er sollte die fundierten Empfehlungen in die parlamentarische Debatte einbringen, um in einer sachlichen und respektvollen gesellschaftlichen Diskussion über dieses wichtige Thema eine neue Gesetzgebung auf den Weg zu bringen“, so W?rner.

Die AG 1 der Kommission hatte die Aufgabe, ausgehend von den beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch und unter Berücksichtigung gewandelter rechtlicher und tats?chlicher Verh?ltnisse sowie gesellschaftlicher Diskurse die Frage zu beantworten, ob und wie eine Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs au?erhalb des Strafgesetzbuchs erfolgen kann. Die WissenschaftlerInnen haben bei ihrer Arbeit ebenfalls die Themen Rechtssicherheit und Transparenz für die Schwangere, aber auch für die behandelnden ?rztInnen in den Blick genommen.

?Die AG 1 hat durch ihre Analyse und Diskussion einen Perspektivwechsel erreicht: den Fokus mehr auf die Schwangere zu legen und das Recht verst?rkt von der Schwangeren ausgehend zu denken. Die ?berlegungen unseres Teils der Kommission gründen auf der Erkenntnis, dass Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft tiefgreifende und unumkehrbare Ver?nderungen der Verfasstheit einer Frau bewirken, und dass zugleich der Schutz des ungeborenen Lebens nur gemeinsam mit der Schwangeren m?glich ist, nicht gegen ihren Willen“, erl?utert W?rner.

Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe 1 der Kommission

Kernpunkte des Berichts der Arbeitsgruppe 1 der Kommission sind folgende Empfehlungen an die Gesetzgebung:

  • In der frühen Schwangerschaftsphase (bis zur zw?lften Schwangerschaftswoche) sollte ein Schwangerschaftsabbruch rechtm??ig und straflos sein.
  • In der sp?ten Schwangerschaftsphase, ab eigenst?ndiger Lebensf?higkeit des Fetus, sollte ein Schwangerschaftsabbruch grunds?tzlich rechtswidrig sein. Ausnahmen sind dann vorzusehen, wenn der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft unzumutbar ist. Das ist insbesondere bei medizinischen Gründen der Fall.
  • In der mittleren Schwangerschaftsphase besteht ein Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber, bis zu welchem Zeitpunkt er einen Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Frau erlaubt (Rechtm??igkeit) und ab welchem Zeitpunkt er einen Schwangerschaftsabbruch nicht mehr erlaubt (Rechtswidrigkeit). Entscheidet der Gesetzgeber für Rechtswidrigkeit, sind auch hier Ausnahmen wie in der Sp?tphase vorzusehen. Die Arbeitsgruppe empfiehlt eine Verl?ngerung der Frist von zw?lf Wochen seit der Empf?ngnis bei kriminologischer Indikation.
  • Zur Vermeidung von ungewollten Schwangerschaften empfehlen die ExpertInnen verst?rkte Aufkl?rungs- und Pr?ventionsarbeit, insbesondere einen kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln auch nach dem 22. Lebensjahr.
  • Beratung (mit oder ohne Wartefrist, verpflichtend oder freiwillig) muss ergebnisoffen erfolgen, darf nicht zu Verz?gerungen führen und nicht dem Ziel dienen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu bewegen oder ihr bewusst zu machen, dass ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommt.
  • Abbrüche gegen den Willen der Schwangeren, unsichere Abbrüche, die N?tigung zum Schwangerschaftsabbruch sowie die N?tigung, ihn zu unterlassen, sind kriminalstrafrechtlich zu regeln. Die Regelungslücke zum Schutz des ungeborenen Lebens vor Verletzungen gegen den Willen der Schwangeren ist zu schlie?en.

Faktenübersicht:

  • Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin wurde zum 31. M?rz 2023 gemeinsam von Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann, Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach einberufen.
  • Die Kommission umfasste 18 ExpertInnen aus Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften.
  • Die Kommission arbeitete zu zwei Themenbereichen:
    • Arbeitsgruppe 1: M?glichkeiten der Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch au?erhalb des Strafgesetzbuches
    • Arbeitsgruppe 2: M?glichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der Leihmutterschaft
  • Prof. Dr. Liane W?rner, LL.M. (UW-Madison), ist Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafrechtsvergleichung, Medizinstrafrecht und Rechtstheorie sowie Direktorin des Zentrums für Human | Data | Society der Universit?t Konstanz. Sie ist die wissenschaftliche Koordinatorin der Arbeitsgruppe 1 der Kommission.
  • ?ber die Kommission und ihre beiden Arbeitsgruppen
  • Die Ergebnisse der Kommission sind ver?ffentlicht